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Platz 96 Der Schweinepriester
Bekleidet mit Zigarette und weiter Unterhose, im Schritt pissgelb und im Profil die Eier preisgebend, sonst nichts: der authentischste Schmierlappen des Funny-Universums ist Jean Marc Reisers Schweinepriester. Schreikomisch bis deprimierend nichtig verläuft sein Leben, das Reiser in je angemessen langen Episoden entfaltet: im Fahrstuhl furzen, Popel essen, Blondinen an den Hintern und Blinden an den Sack greifen, vom Dreimeterbrett pinkeln, auf Erdbeeren niesen und...sterben. Reisers Anarchismen durchziehen nicht nur die Zeichnungen, die in Sachen reduzierteste Krakeligkeit noch Walter Moers toppen und dennoch immer auf den Punkt genau treffen, sondern auch den Regelkanon sonstiger Fun-Comics. Vieles im Schweinepriester ist auf unangenehm naturalistische Art unlustig und „hart“ bzw. läuft ins witzlose Leere, denn die namenlos bleibende, absolut unsozialisierbare Hauptfigur ist eben kein schwereloser Eulenspiegel, sondern eine abgeklärte arme Sau, die sich schließlich mit dem Deckel einer Eintopfdose die Pulsadern aufschlitzt. Der Spaß ist nach achtzig Seiten endgültig vorbei, und damit auch Reisers sperrige Studie in Humor und Nihilismus. „Glückliche Menschen gehn mir auf die Eier“ - wie das eben so ist, wenn es zynische Hänger in gelben Unterhosen wirklich gäbe. (Sven-Eric Wehmeyer) Lesetipps:
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