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Platz 72 Eddy Current
So kann‘s gehen, wenn man sich zu sehr mit einem Superhelden aus einem obskuren Comic identifiziert: Endstation Klapsmühle. Jedenfalls, wenn man an den falschen Comic gerät; und der „Erstaunliche Broccoli“ war für Eddy Current schon eine verdammt unglückliche Wahl, um sein schwer neurotisches, äußerst labiles Ego zu restabilisieren. Noch fataler allerdings wirkte sich die Kleinanzeige darin aus, die mit dem Versprechen: „Werden Sie endlich erwachsen! Werden Sie ein richtiger Mann!“ - durch einen „Dynamic-Fusion“-Anzug (Batterien nicht inbegriffen). Natürlich mußte Eddy ihn haben. Und natürlich mußte er wieder mal übertreiben. Die fehlenden Batterien kompensierte er (ungewollt) durch einen Blitzschlag. Seither steht er gewaltig unter Strom und will nichts weniger, als mal eben die Welt retten. Vor der grassierenden Ungerechtigkeit. Zwölf Stunden, eine Nacht ungenehmigten Ausgangs, hat er dafür Zeit. „Eddy Current“ von 1987 ist eine extreme Parabel über mögliche Wechselbeziehungen zwischen Comic und Wirklichkeit, über die abgrundtiefe Kluft zwischen Imagination und Realität. Aber Ted McKeevers expressives Schwarzweiß bannt die Extreme, die Überhitzung seiner Figuren und die Eiseskälte der Stadt, skrupellosen Zynismus und einen religiös anmutenden Wahn. Wie elektrifiziert wirkt sein Stil, und jede Menge überschüssige Energie setzt auch sein Titelheld frei. Das Dumme ist bloß, daß der keinen Plan hat und deshalb wie ein elektrischer Don Quichotte durch die Neon-Nacht irrt. Aber ein verlorener Spinner mit einer verzweifelten Mission gerät geradezu zwangsläufig an ein Grüppchen versponnener Verschwörerinnen, die mit einem irren Hirnwäsche-Plan die Weltherrschaft anstreben. Sie sind füreinander bestimmt. Und deshalb rettet Eddy am Ende tatsächlich die Welt - ohne daß er es richtig bemerkt. Denn bevor er es - wenn überhaupt - je hätte begreifen können, ist er schon tot. Aber das ist exakt so, wie er sich es vorstellte, denn es kommt wie in seinem Comicbook: Nur wer am Schluß stirbt, ist ein wirklicher Held. Wie gesagt, man kann bei der Wahl seines Lieblingscomics nicht vorsichtig genug sein. (Martin Budde)
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