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Platz 3 Tim und Struppi / Tintin
Haddock - so nennen wir einen reichen Kapitän a.D. im besten Mannesalter - Haddock hatte in Bienleins Rosengarten die schönste Stunde eines Mainachmittags zugebracht, um sich frisch erhaltenen Loch Lomond hinter die Binde zu kippen. Sein Geschäft war eben vollendet; er stellte das Glas an die Seite und betrachtete die leere Flasche mit Vergnügen, als Professor Bienlein hinzutrat und sich an dem teilnehmenden Fleiße des Kapitäns ergetzte. “Hast du die Castafiore nicht gesehen?” fragte Haddock, indem er sich weiterzurollen anschickte. “Wie? Du kannst die Anspielung nicht verstehen?” versetzte der Professor, “Seltsam, dabei ist es doch ganz offensichtlich...” Genau, denn meiner Meinung nach haben das Tim & Struppie-Album “Die Juwelen der Sängerin” (1963) und Goethes “Wahlverwandschaften” (1809), die ich gerade so free & easy miteinander vermixt habe, nicht nur Schauplatz (Landgut bzw. Schloß mit großem Garten bzw. Park) und Thema (Liebe, Spazierengehen & Metaebene) gemeinsam, sondern sind sich auch in dem Punkt einig, dass ein zentraler Aspekt von Kunst die Präsentation von Abgehangenheit zu sein hat. Abgehangenheit, die in Wahrheit jedoch megakompliziert ist und nur auf der Grundlage von langen theoretischen Forschungen und endlosen praktischen Versuchen in dieser obercoolen Jenseits-von-Gut-und-Böse-Form delivert werden kann. Das muss man sich mal klarmachen: Herge und Goethe - zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Werke längst nicht mehr im besten Mannesalter - vermitteln hier das Gefühl, dass Reden und Umhergehen die geilste Dinge auf der ganze Welt sind. Also wenn ich’s mir recht überlege, kann ich’s kaum noch erwarten endlich 60 zu werden. (Marc Sagemüller) Lesetipps:
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