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Platz 23 Johann & Pfiffikus
Natürlich ist er der Meister der Schlümpfe. Mit seinem rundlichen, geschmeidigen Stil konnte wohl Pierre Culliford alias Peyo (1928-1992) gar nicht anders, als früher oder später den Niedlichkeitsnerv eines Massenpublikums mitten ins Mark zu treffen. Nichts ist jedoch absturzgefährdeter als ein „Oh, wie süß!“-Faktor, vor allem, wenn man ihn noch mit Merchandise-Müll und mediokren Zeichentrickfilmchen traktiert. Das konnte einem das zweifellos berechtigte Vergnügen an den frühen Schlumpf-Geschichten gründlich vermiesen, und dazu hätte es Vader Abraham noch nicht mal gebraucht. Eine Misere, die Peyo sogar nach Kräften gefördert hat. Und während die blauen Zwerge über die Bildschirme tollten, durch komische Kakao-Werbung zogen und natürlich als PVC-Püppchen in albernsten Verkleidungen aus unzähligen Setzkästen purzelten, hatten ihre eigentlichen Entdecker darunter am meisten zu leiden. 1958 betraten Johann und Pfiffikus erstmals das „Verwunschene Land“, Heimat der Schlümpfe. Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits fest etabliert. Johann verkörperte als Page eines sympathischen Königs in einem kleinen Mittelalter-Reich die klassischen Rittertugenden, stets edel, hilfreich und gut. Dasselbe ließe sich auch von seinem treuen Begleiter und Knappen Pfiffikus sagen - klein, aber oho -, wäre er weniger temperamentvoll, verfressen, aufschneiderisch, musikliebend (obwohl völlig unmusikalisch) und in ruhigeren Zeiten eine einzige Landplage - kurz: wäre er nicht Pfiffikus. Dieses ungleiche Gespann hatte bis dahin trotzdem gemeinsam, umsichtig und tollkühn in fünf Jahren und sechs Alben zahlreiche Schurken schachmatt gesetzt, manchen Spuk beendet sowie Witwen und Waisen beschützt. Damit zählten sie ohne Zweifel zu den Stars des „Spirou“-Magazins. Und dann begegneten ihnen zufällig die Schlümpfe... Auch mit den blauen Wichteln ließ der Reiz ihrer Abenteuer keineswegs nach. Nur wurden sie sie erst nicht mehr los, dann ihre Auftritte zunehmend seltener, und schließlich verschwanden sie sogar ganz, weil Peyo vor lauter Schlümpfen schlicht keine Zeit mehr für sie fand. Wie er seine Comic-Aktivitäten letztlich überhaupt nahezu einstellte, da er sich fast nur noch um die Zweit-, Dritt- und Viertverwurstung seines Mega-Erfolgs mit den Miniwesen kümmerte. So lag jahrelang ein Szenario für eine weitere „Johann und Pfiffikus“-Episode in Peyos Schublade, aber erst nach seinem plötzlichen Tod wurde es unter Federführung seines Sohnes Thierry von Zeichnern aus dem schon lange vorher gegründeten Studio Peyo realisiert. (Und noch zwei weitere folgten seitdem, neben einigen Schlumpf-Bänden!) Peyos Rückzug aus dem Comic-Geschäft war insofern schade, als seine überaus klare, eingängige Graphik und sein Gespür für unterhaltsames Geschichtenerzählen ihn binnen weniger Jahre zu einem Meister und vielleicht den typischsten Vertreter der „Ecole Marcinelle“ gemacht hatten, jener Stilmischung der „Spirou“-Equipe, die sich bei aller individuellen Verschiedenheit in ihrer Dynamik deutlich - und zwar wohltuend - absetzte vom damals für vorbildlich gehaltenen, aufgeräumten und „sauberen“ Strich à la Hergé. Dabei hatte man Peyo als absoluten Autodidakten erst Jahre später zu „Spirou“ geholt, nachdem seine einstigen Arbeitskollegen Franquin, Morris und Eddy Paape dort bereits 1946 das Heft in die Hand genommen hatten. In dieser Zeit suchte Peyo noch seinen Stil, konnte aber auch schon 1946 in einer belgischen Zeitung erste, sporadische Gag-Strips um einen Pagen namens Johann veröffentlichen. Der sah allerdings noch aus wie eine unbeholfene Kopie von Tim, mit blonden Schillerlocken! Nachdem sich sein Strich soweit gefestigt hatte, daß von 1952 an Johanns Abenteuer in „Spirou“ erschienen, so betrachtete Peyo selbst rückblickend auch die beiden ersten Episoden dort noch als Abschluß seiner langen Anlaufphase, in der er ihn zudem Kollege Franquin gelegentlich mit Tips unterstützte. Der Durchbruch kam 1954, als Pfiffikus auftauchte - und einfach blieb, obwohl nicht unbedingt vorgesehen. Nun hatte Peyo seine Idealbesetzung gefunden, und seine im Grunde recht einfachen, geradlinigen Plots bekamen durch Pfiffikus‘ Auftreten, dessen überschäumendes, bisweilen kaum zu bändigendes Temperament jene Energie und die notwendigen Aus- und Abschweifungen, durch die die Serie bis heute so lebendig erscheint. Dazu noch der Aufschwung der Graphik in den folgenden Jahren bis auf meisterliche Höhen - im Grunde ruht der nachmalige Erfolg der Schlümpfe auf den Schultern dieser Comic-Riesen. Ein waghalsiges, letztlich aber ein versöhnliches Bild. Mochten sie danach auch hinter ihre Zufallsbekanntschaft zurücktreten, es war ein Rückzug in Würde. Die Abenteuer von Johann und Pfiffikus sind heute Klassiker, ihr Auftritt hat fraglos Comic-Geschichte geschrieben. (Martin Budde) Lesetipps:
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