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Platz 10 Batman: The Dark Knight Returns
Was für ein Gefühl muß es wohl sein, etwas losgetreten zu haben, das einen kompletten Markt umkrempelte, was sich für immer in das Gesicht eines ganzen Medienzweigs gebrannt hat? Man könnte das zum Beispiel Frank Miller fragen… Er hatte schon einiges auf dem Kerbholz gehabt. Unter seinen Händen war Anfang der achtziger die ausgelutschte Figur des "Daredevil" unerwartet zum Kult mutiert, "Elektra Assassin" hatte auf mehreren Ebenen neue Maßstäbe gesetzt, für "Ronin" hatte er den höchsten Vorschuß abgesahnt, der je für ein Comic gezahlt worden war. Nach all dieser Publicity-trächtigen Vorarbeit war klar, daß seine nächste Arbeit nicht als Insidertip den Markt betreten würde: Die Batman-Story "The Dark Knight" erschien 1986 und schlug ein wie eine Atombombe. Die Kritiker überboten sich mit Komplimenten, die Szene kriegte vor Staunen den Mund nicht mehr zu, die Auflagenzahlen zauberten ein sehr zufriedenes Lächeln auf die Gesichter der DC-Bosse, und dann geschah etwas, das kaum ein Comic je hinkriegt: Batman wurde von einer Comicfigur zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Die Zeitungen riefen das Jahr des Batman aus, sofort trat Hollywood auf den Plan, und durch Tim Burton, der "Batman the Movie" von Anfang an als Merchandising-Monster und Giga-Blockbuster konzipiert hatte, erfuhren sehr bald auch Leute von der Existenz des dunklen Ritters, die noch nie ein Comic von innen gesehen hatten. Das Fledermaus-Logo klebte sehr bald auf allem, was es gibt, und nie zuvor rannten soviele Leute mit Batman-T-Shirt durch die Gegend. Was aber das erstaunlichste an all diesen Entwicklungen war, war die Tatsache, daß hier etwas in den Olymp gehyped wurde, das es tatsächlich verdient hatte. Dieser Comic war nicht bloß angeblich eine Revolution - er war wirklich eine. Was an "The Dark Knight" so schockierte, war die rigorose Ernsthaftigkeit, mit der da jemand eine Geschichte über einen Typen im Fledermauskostüm erzählte. In einer noch nie zuvor gesehenen Hektik drosch da eine durch und durch mit Gewalt und Zynismus aufgeladene Story auf den Leser ein, die auch noch lustvoll in allen wunden Punkten der Psyche des Endachtziger-Reagan-Amerikas herumbohrte - keine nette oder gar besinnliche Unterhaltungsware, hier wurde scharf geschossen. Miller hatte wie kaum jemand zuvor erkannt, was für ein Symbolpotential in der Figur des Batman steckte. Batman war schon immer ein Charakter gewesen, der sich im Gegensatz zu seinem sauberen und braven "großen Bruder" Superman mit dem Dreck, der Nacht, den Schattenseiten, dem Wahnsinn auseinandersetzen mußte. So machte Miller seinen "Dark Knight" zu einem Politikum, einer Tour de Force durch all die negativen Seiten der Gesellschaft, die sich mit biestigen Kommentaren nicht zurückhielt, ganz gleich ob über Medien, Gewalt in den Straßen, Selbstjustiz, Gesetz und Ordnung oder nukleare Kriegsführung. Und als Kirsche auf den Kuchen ließ er den Jahre vorher schon arg in die Credibility-Gosse geratenen Batman zu einem neuen, fantastischen Glanz erblühen - indem er das Ende des Helden erzählte, setzte er ihm die Krone einer Mythenfigur auf. Über die genauere Handlung des ganzen soll hier gar nicht erst ein Wort verloren werden - wenn man irgendeinen Superhelden-Comic der letzten zwanzig Jahre gelesen haben sollte, dann diesen; am besten im Original, um sich direkt von Millers grandioser Macho-Sprache in die Fresse hauen zu lassen. Ach ja: Bedauerlicherweise, ganz ganz bedauerlicherweise hat Miller sich jetzt dazu ködern lassen, einen Teil zwei in die Welt zu setzen. Gemunkelt wird von einer beknackten Story, in der alle Helden die Welt verlassen haben und Batman auszieht, sie zu finden. Es wird grauenvoll werden, egal wie es wird. Wieder einer, der für eine groteske Gage seine Seele verkauft. Frank, was hätte Dein Batman aus dem ersten Teil zu einer solchen Morallosigkeit gesagt? Du würdest in diesem Augenblick mit dem Kopf nach unten an den Gotham Twin Towers baumeln. (Thomas Strauß) Lesetipps:
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