Übersicht
   nach Platzierung
   nach Titeln
   nach Autoren
   nach Zeichnern
   nach Ländern
 
 alle Texte
   (1,3 MB)
 
   
 to the international edition

Platz 90

Die Nacht
von Philippe Druillet

 
Autor: Philippe Druillet
Zeichner: Philippe Druillet
Land: Frankreich


1974: Paris ist immer noch im Erneuerungsfieber. Die "Humanoides Associes" spielen mit neuen Wegen, SciFi zu machen. Einer der Gründer, der ehemalige Fotograf Phillipe Druillet, hat schon vorher in SF-Epen wie "Lone Sloane" oder "Yrgael"gezeigt, daß er nicht gerade zu den lebensbejahenden Menschen gehört.

Das Universum, daß er zeigt, ist kalt, gemein und aussichtslos. Sein Held Sloane gleitet ziellos durch die eisige Einsamkeit des Raums, und wenn er auf bewohnte Planeten stößt, dann auf übervölkerte, dekadente Megazivilisationen, in denen Sex und Gewalt alle Werte abgelöst haben ð gezeigt in detailbesessenen, mit pompöser Deco ausgestatteten Wimmelbildern, die es in dieser Form noch nie im Comic zu sehen gab.

Der Fatalismus, der aus "Sloane" herausschrie, war keineswegs Pose: Druillet war schon immer depressiver Außenseiter gewesen, laut eigener Aussage immer hart an der Grenze zum Selbstmord. Es gab nur 2 Dinge, die ihn davor retteten: seine Arbeit und seine fast heilig geliebte Frau Nicole. In diesem Jahr stirbt Nicole an Krebs.

Druillets nächster Band, "Die Nacht", ist ein einziger Aufschrei, und zwar einer der lautesten, die das Medium bis heute vorbrachte. Was schon vorher in "Sloane" verstörte, gelangt hier zum Konzentrat: die kaputten Helden dieser post-post-post-apokalyptischen Welt sind von Drogen zerfressene Rocker, deren wirrer Lebenskampf um neuen Stoff und gegen alle möglichen tödlichen Gegner an Insekten oder Automaten erinnert. Jedes zweite Wort ihrer Dialoge ist "Tod", und als am Ende in einer riesigen Schlacht um das große "Stofflager" alle Helden getötet werden, erscheinen Fotos von Nicole als Visionen am psychedelisch gefärbtem Himmel.

Druillet ist später sehr reich und berühmt geworden und seine Seelenpain wurde zwangsläufig immer stilisierter. Aber der authentische Schmerz von "Die Nacht" trat in den siebzigern die Tür ein für viele weitere Gesänge auf die Apokalypse und knistert bis heute unangenehm beim Betrachten ð wie ein durchgebrannter Stromkreis. (Thomas Strauß)