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Platz 76

American Flagg
von Howard Chaykin

 
Autor: Howard Chaykin
Zeichner: Howard Chaykin
Land: USA


"Ich habe mit American Flagg einen der fünf besten Comics der letzten fünf Jahre gemacht, und ich glaube dennoch, dass es nur ein Stück Scheiße ist."
Howard Chaykin, Mitte der 80er

Howard Chaykin hatte sich einige Jahre als Assistent und Zeichner von so bedeutenden Marvel-Serien wie "Red Sonja", "Star Wars" und "Indiana Jones" verdingt, bevor er den Kanal voll hatte und lieber außerhalb des Mediums seine Bagels verdiente.

1983 kehrte er überraschend (und ziemlich lautstark) zurück, weil dank eines neu entstandenen Marktes mit kleineren, unabhängigen Verlagen nun auch Comics veröffentlicht werden konnten, die persönlichen Visionen jenseits von Konzern-Interessen folgten. Mit "American Flagg" wirbelte Chaykin auch deshalb eine Menge Staub auf, weil er in einer Serie, die ausdrücklich für Erwachsene bestimmt war, nicht nur die Gewaltspirale anzog (was seit Miller’s "Daredevil" bereits alle gewohnt waren), sondern auch praller (fetischister) Erotik und politischer Satire breiten Raum bot.

In einer von den Medien kontrollierten Welt des Jahres 2031 ist Ex-Filmstar Reuben Flagg einer der letzten Aufrechten. In seinem neuen Job als Plexus Ranger (eine Art Polizist mit beschränkten Befugnissen) schwimmt er gegen den Strom und tritt dem mächtigen Plexus- International-Medien-Konzern auch mal in die Nüsse. Er bekommt es mit Blackmarket-Basketball-Spielern zu tun, mit Luftpiraten und durchgedrehten Nazis, er kämpft gegen Korruption in all ihren Formen, gegen Beeinflussung der Massen mittels "Subliminals", also via TV ausgestrahlten Signalen – Chaykin orientierte sich offensichtlich stärker an dem, was ambitionierte Science-Fiction-Schreiber der Zeit bewegte als an seinen Comic-Kollegen, die immer noch tief im präpubertären Sumpf der Buntbestrumpften steckten.

Auch in Stil und Erzähltechnik unterschied er sich massiv von seiner Zunft. Chaykin machte es seinen Lesern nicht leicht. Sprache und Bildsprache forderten bedingungslose Aufmerksamkeit und einfache Botschaften und Lösungen vermied er wie die Pest. Wer nach all der Anstrengung auf ein erhellendes Wort oder eine Pointe hoffte wurde meist bitter enttäuscht. Die komplexe Darstellung dieser buntschillernden, bösartigen, dekadenten, komischen und in Widersprüchen gefangenene Zukunft selbst war die Message, aber das begriffen damals nur wenige, und alle anderen unterhielten sich lieber darüber, was Chaykin doch für eine perverse Sau sei, weil er seine weiblichen Protagonisten in Stilettos steckte.

Die monatliche Produktion hielt Chaykin nicht lange durch. Die Stories wurden bald flacher, das aufwendige Artwork simpler – aber die ersten 12 Hefte der Reihe, ebenso wie der grandiose Ableger "Time2", gehören in den Pool der großen Meisterwerke der US-Comic-Kunst. Leider nur als schillernde Sackgasse, denn Chaykin folgte vorsichtshalber niemand. Auch er selbst trug seine Ambitionen nach und nach zu Grabe, zeichnete immer weniger und schrieb viel uninteressantes Zeug. Vor allen Dingen arbeitet er heute für das US-Fernsehen an zweitklassigen Serien.

Von "American Flagg" liegen auf deutsch nur 2 Bände im Hethke-Verlag vor, die man gelegentlich für Pfennige im tiefen Ramsch findet. Zu empfehlen sind die nicht. Es ist aber recht leicht (und nicht sehr kostspielig) bei US-Versänden wie "Mile High" die einzelnen US-Hefte zu bekommen oder die Graphic Novels "Hard Times" (Heft 1-3), "Southern Comfort" (4-6) und "State of the Union" (7-9). Die Suche nach den beiden "Time2"-Graphic Novels lohnt sich! (Bernd Kronsbein)