|
|
Platz 62 300
We march. Mit keinem Wort zuviel, dafür mit um so mehr Kirby-würdiger Felsigkeit beginnt es, und nach vier berauschenden Doppelseiten mit nichts als Marschieren, monumentaler Ödnis und schlierigem Aquarellhimmel die aus Stein gehauene historische Verortung: wir befinden uns im Jahre 480 v.Chr., zusammen mit dreihundert spartanischen Kriegern, die unter ihrem König Leonidas das freie Griechenland gegen die einfallenden Perser und deren Gott-König Xerxes zu verteidigen suchen. Das Ende ist Geschichte: ein Hagel persischer Pfeile, totale Agonie, Heldentod. Keine noch so klotzigen Phrasen können wiedergeben, wie Miller, assistiert von den wunderschön erdigen Farben seiner Lebensgefährtin Lynn Varley, als Hardboiled-Homer diese antike Tragödie zu einem beispiellosen Heroic-Bloodshed-Epos im Breitwandformat ausarbeitet. Vom Ronin-, Dark Knight- und Sin City-Miller ist offensichtlich nur das jeweils beste geblieben, um zusammengepackt die Millersche Kunst auf ein neues Level, das nächste Plateau zu heben. So klar, dramatisch, effektiv und "spartanisch" war er nie; zwischen sparsamst gesetzten, gleichzeitig wie überlieferter Leonidas-O-Ton und originär millerisch klingenden Texten, bluttriefenden Kolossalschlachten, schwärzesten Sarkasmen und der von Frisuren bis Sandalen alle Details umfassenden Authentizität bleibt kein Moment zum Atemholen. Zahlreiche Doppelseiten sind Gemälde für sich, ohne den Rest dominant ausstechen zu wollen. So überzeugend verschwenderisch und dazu ökonomisch wurden Comicseiten selten in Paneleinheiten unterteilt. Da fällt es kaum ins Gewicht, daß Miller keine Elefanten zeichnen kann - die rutschen denn auch sofort auf den angehäuften persischen Leichenbergen aus und stürzen die Berge hinab. Sparta also: dort sind die wahren Superhelden zu finden, härter noch als Marv und edler sowieso. Frank Millers Arbeiten mögen auf den ersten Blick immer ein wenig Skepsis wecken, zumal ein solch übertriebener Stoff wie der der 300: man kann es so oft lesen wie kaum einen anderen zeitgenössischen Comicproduzenten, und es gewinnt immer mehr. Und seine Comics sind sicher nicht der Ort, an dem man den ergriffenen Schauder angesichts des ultimativen Kriegscomics politisch in Frage stellen sollte. (Sven-Eric Wehmeyer) Lesetipps:
Leseproben:
|