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Platz 31 Domu - Das Selbstmordparadies
Moment mal, werden sich jetzt einige fragen, warum kommt denn gerade „Domu” in diese Liste und nicht „Akira”? Ganz einfach: weil „Domu” um Längen besser ist. Die meisten Künstler sollte man am besten genießen, wenn sie gerade „ihr Ding” gefunden haben, wenn die frische Energie nach außen dringt und voller Erzählfeuer ist - bevor der Erzähler selbst merkt, was er da eigentlich tut. „Akira” war ein Overkill, zugegeben. „Domu”, biographisch gesehen das Gesellenstück auf dem Weg zu jenem weltweit gefeierten Mindblaster, ist eine Geschichte, in der die später mit stilistischem Überdruck auf den Leser einprasselnden Effekte noch vorsichtig dosiert und experimentierfreudig daherkommen, akzentuiert eingesetzt werden und deshalb genau das gewaltige Staunen hinterlassen, das ihnen zusteht, und nicht in einer Kaskade von lähmend schnellen Schnitten auf der Strecke bleiben. „Domu” begann als Serie 1980 in einem Mangazine und wurde innerhalb kürzester Zeit zum Liebling der japanischen Studentenszene. Als die Serie nach 2 Jahren zu ihrem Ende kam, hatte sie bereits einen solchen Kultstatus, daß ihr 1983 der japanische Science Fiction Grand Prix Award verliehen wurde, ein dem „Hugo” ähnlicher Preis, der bisher nur Romanen zugedacht war. Die Idee der Handlung ist so simpel wie kernig: In einer typischen tokioter Vorstadt-Beton-Burg beginnt eine Kette von rätselhaften, scheinbaren Selbstmorden. Die Polizei läuft mit ihren Ermittlungen komplett im Kreis; zu mysteriös die Umstände, um auch nur den Hauch einer Spur zu finden. Nur das kleine Mädchen Etsuko, das gerade mit seiner Familie in die Nachbarschaft gezogen ist und das über gewaltige psychokinetische Gaben verfügt (ein von Steven Kings „Feuerkind” geliehenes Motiv, daß Otomo später auch bei „Akira” als tragendes Element einsetzte), kommt dem Geheimnis auf die Schliche: der senile Greis Uchida steckt hinter den Todesfällen, auch er besitzt jenes Ausnahmetalent, mit bloßen Gedanken Materie zum zerbersten bringen zu können, und in debiler Verspieltheit bringt der die Einwohner des Hochhauses um, weil er Spaß daran findet, kleine Trophäen von ihnen zu sammeln. So beginnt zwischen den beiden insgeheim, ohne daß der Rest der Welt wirklich versteht was passiert, ein in Etappen stattfindender telekinetischer Kampf auf Leben und Tod, der in einem verblüffenden Showdown endet. Es ist bei weitem nicht nur der mit Detailtreue erschlagende und doch schwungvolle Strich von Otomo, dieser Mangastil mit unverkennbar westlicher Färbung, der „Domu” zu einem echten Erlebnis macht; hier spielt der Meister zwar nicht zum ersten Mal, aber doch so beeindruckend wie nie zuvor mit cineastischer Erzähltechnik, mit Schwenks, krassen Schnitten, blutdruckpeitschenden Kombinationen von aufregenden Kamerapositionen. Auch wenn dieser Comic von 1980 ist, hat er bereits die filmtechnische Reife eines verdammt guten 90er Musikvideos. Alles, was später „Akira” so erfolgreich machte, ist schon da, aber hier nicht in einer Cyberwelt von morgen stattfindend, sondern direkt um die Ecke, im stinknormalen Alltag, und deshalb geht einem erst recht der Hut hoch. Gerüchte kursieren, daß Disney zur Zeit an einer Realverfilmung sitzt. Es kann einfach nicht so gut werden wie das Original. (Thomas Strauß) Lesetipps:
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