|
|
Platz 24 Cages
Ende der achtziger Jahre war der Brite Dave McKean einer der angesagtesten Zeichner der Stunde. Sein Debut „Violent Cases” hatte ihn (und seinen künftigen Leibszenaristen Neil Gaiman) direkt in die Ehrenloge der Comicszene katapultiert – sein gekonnter Fotorealismus und seine extrem hippen Collagetechniken ließen Kritiker und Leser reihenweise aus den Schuhen kippen. Doch während die Welt nach mehr schrie, war der Meister selbst bereits von seinem eigenen Oevre gelangweilt. Für McKean war das alles nichts als bloßes Handwerk, das überdies den meisten Stories eher schadete als nützte; natürlich war das Artwork von Bänden wie „Der Tag der Narren“ augendurchbohrend, lenkte aber letztlich mehr von der Geschichte ab, als sie zu erzählen. McKean beschloß, zunächst nur Cover zu machen und nebenbei an seinem ersten komplett selbstverfaßten Comic zu arbeiten – in einem neuen Stil, der seiner Geschichte dienlich sein sollte, statt sie zu überstrahlen. Mit „Cages“ hatte er sich reichlich viel vorgenommen. Schon der pathetische, mythische Prolog im ersten Heft deutete an, daß es hier um nichts weniger gehen sollte als um das Leben, das Universum und den Rest; die definitive Meditation über „Schöpfung“ stand zu erwarten, und zwar in allen nur denkbaren Bedeutungen des Wortes. Eine auf zehn Teile angelegte Serie, die McKeans Weltverständnis von Kunst, Musik und Literatur auf den Punkt bringen sollte. Ein heeres Unterfangen: acht Jahre und zwei Verlagswechsel sollte es dauern, bis die Reihe ihren Abschluß fand. Was allerdings da auf 500 Seiten auf den Leser zurollt, ist schlichtweg einer der schönsten, schillerndsten und faszinierensten Arbeiten, die sich je in die Annalen der Comicgeschichte eingegraben haben. Erzählt wird die Geschichte des Malers Leo Sabarsky, der auf der Suche nach Inspiration und einem neuen Lebensanfang in ein verwunschen anmutendes Londoner Viertel zieht. Ehe er sich versieht, steckt er bereits mitten in einem Universum voller erstaunlicher Persönlichkeiten, in der sich Situationen von typisch britischer Schrägheit abwechseln mit hinreißenden Dialogen über Gott, Jazz, Sex und Katzen. Die grazilen Federzeichnungen, die als einzige Nuance zwischen schwarz und weiß nur einen kühlen Blaugrau-Ton zulassen, werden wohldosiert von fiebrigen, Traumsequenz-artigen Interludes durchbrochen, in denen McKean ein Feuerwerk seiner Collagekunst auf den Leser losläßt. Aus jedem Panel in „Cages“ strahlt einem eine Schaffens- und Experimentierfreude entgegen, die nur von Leuten erreicht wird, die auf große Entdeckungsreise in ihren Parametern gehen. Genau für so was hat man einst die Worte „Artwork“ und „grafisches Erzählen“ erfunden. (Thomas Strauß) Lesetipps:
|