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Platz 20 Krazy Kat
Er war trotz der langen Laufzeit nie ein großer Erfolg. Gottseidank gehörte Medien-Tycoon William Randolph Hearst zu seinen fanatischsten Bewunderern und sorgte dafür, daß George Herrimans Zeitungsstrip Krazy Kat bis zu dessen Tod 1944 in seinem New York American veröffentlicht wurde. „Krazy Kat läßt sich mit keinem anderen Comic-Strip davor oder danach vergleichen“, sagt Calvin & Hobbes - Schöpfer Bill Watterson über das Werk, das in ziemlicher Einigkeit als der größte amerikanische Comic überhaupt bezeichnet wird. Pablo Picasso war ebenso Fan wie Gertrude Stein, die Sprachshaker James Joyce den Inhalt der neuesten Folgen durchs Telefon beschrieb, wenn der sie nicht lesen konnte. Das Idiom, in dem Herriman seine Figuren sprechen läßt, ist denn auch als aus verschiedenen Sprachen zusammenbabylonisierte Klitterung von Slangsounds, Neologismen und bis zum Wahn vergnurgsten Puns nicht furchtbar weit von Finnegans Wake entfernt. Doch Krazy Kat schlägt an keiner Stelle, wie es sich für große Kunst gehört, kultursnobistische Krampffalten. Variiert wird im Kern lediglich dieses: Krazy Kat (wahrscheinlich eher weiblich) liebt Ignatz Maus. Ignatz haßt die Katze und ballert ihr Ziegelsteine an den Schädel, um den bei jedem Treffer Herzchen schwirren. Offissa Pupp liebt Krazy und versucht, sie vor der gnatzigen Maus zu schützen. Abspielen tut sich dieses verkorkst-sanfttraurige, mit Humor vom Mars versehene Gefühlsdramolett im wüstenartigen Coconino County, in welchem, wechselnd von Panel zu Panel, Vorhänge auf- und zugehen, seltsame Kakteen zu seltsameren Felsen werden, es plötzlich vom Tag zur Nacht schwenkt und angeknusperte Monde an Fäden vom Himmel hängen. Krazy Kat zeigt nahezu alles, was die Kunstform zu leisten vermag, bleibt dabei aber in seiner stricheligen, schwerelosen Schrägness locker, bescheiden und unfaßbar unantiquiert - ein Strip ohne jeden Makel und derart frisch, als wäre soeben die Tusche getrocknet. (Sven-Eric Wehmeyer) Lesetipps:
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